Patenkater Muck
Dieser kleine Langhaar-Mix-Kater kam Ende April 2010 zusammen mit ein paar anderen Katzen über befreundete Tierschützer aus Sofia/Bulgarien zu uns und stammt wohl aus einer Beschlagnahmung.
Von Anfang an war uns klar, dass er nicht ganz „normal" ist. Er ließ sich weder anfassen, noch wollte er spielen, sondern lag bevorzugt unter einer Decke oder einem Kissen und ging von dort jeden Menschen an, der ihm zu nahe kam. Dann sprangt er laut fauchend und kreischend hervor und hatte auch keine Skrupel, Krallen und Zähne einzusetzen. Mehr als einmal fiel uns vor Schreck die Futterschüssel aus der Hand.
Weil der kleine Muck meist in sehr gekrümmter Haltung saß und deutlich stärker atmete, als die anderen Katzen, vermuteten wir ein Herzproblem und vereinbarten für den 05.07.2010 einen Ultraschalltermin, um der Sache auf den Grund zu gehen. Vor dem Schall und bereits in Narkose (sonst hätten weder wir, noch der TA überlebt) ließen wir die Lunge röntgen und entdecken so mehr durch Zufall das eigentliche Problem: Der kleine Muck leidet an immensen Knochendeformationen und -defekten, er hat Wirbelsäulenverkrümmungen, mehrere kaputte Wirbel, eine Flachbrust, Verwachsungen an Schulter- und Hüftgelenken und ein viel zu enges Becken. Das Herz ist übrigens völlig in Ordnung.
Auf den Bildern sieht man deutlich seine Deformationen und seine Hüfte im Vergleich zu einer "normalen" Katzenhüfte.
Nach Diagnose und Sichtung der Röntgen-Bilder waren wir doch sehr geschockt und tendierten ehrlich gesagt dazu, ihn zu erlösen. Der arme kleine Muck war damals schon 6 Jahre alt. Wie hat er diese Zeit verbracht? Voller Angst und mit ständigen Schmerzen? Welche schlimmen Erfahrungen hat er mit den Menschen gemacht, dass er so ist, wie er ist? Wurde er misshandelt? Leider wissen wir es nicht und leider kann er es uns auch nicht sagen.
Wir haben beratschlagt, mehrere Tierärzte befragt und auch langjährige Züchter um ihren Rat gebeten. In diese ganzen Überlegungen haben wir natürlich auch sein Verhalten dem Menschen gegenüber mit einbezogen. Nach wie vor war er sehr ängstlich, panisch und furchtbar aggressiv. Trotz allem entschieden wir, ihm noch eine Chance zu geben und haben ihn per Webcam beobachtet. Und siehe da – ohne Mensch benahm sich der kleine Muck wie eine normale Katze. Er lief herum, putzte sich ausgiebig, fraß und trank, lag oft oben auf dem Kratzbaum oder dem Bett.
Update 18.11.2010: Bei Muck scheint wohl irgendjemand einen Schalter umgelegt zu haben. Er ist wesentlich entspannter als noch vor ein paar Tagen. Gerne liegt er auf einem Stuhl unter dem Tisch und bleibt dort auch liegen, wenn ihm bekannte Menschen den Raum betreten und er bewegt sich recht gelassen im "freien Raum". Wenn er hört, dass jemand Futter macht oder mit Leckerlis raschelt, kommt er sofort angesaust, macht brav "sitz" und maunzt. Die Leckerlis nimmt er inzwischen auch aus der Hand. An guten Tagen kann man ihm dann sogar den Bart kraulen (aber nur, wenn die Hand nach guten Sachen riecht).
Update Dezember 2010: Der kleine Muck, auch "Spucki" genannt :-), ist so entspannt, dass er sich von Gudrun und mir anfassen und streicheln lässt, er köpfelt in die Hand und schnurrt wie ein Schiffsmotor. Seine Leckerli fordert er lautstark ein und manchmal kriegt er die auch, einfach nur, dass er die Klappe hält :-). Bei DSDS käme er wohl nie in den Recall.... Auch ansonsten macht er den Eindruck einer Katze, die zwar so ihre Zipperleins hat, aber trotzdem das Leben genießt. Er hat sich zu einer recht selbstbewussten und berechenbaren kleinen Plüschkugel gewandelt, die man gerne besucht und gerne anfasst. Da er sich ohne Schmerzmittel genauso bewegt wie mit, haben wir diese abgesetzt und er bekommt im Moment nur unterstützend etwas für Knochen und Gelenke, sowie hin und wieder Lactulose gegen den sehr harten Kot.
Update März 2011: Muck hat das große Los gezogen und ist zusammen mit seinem langjährigen Kumpel Sid ins neue Zuhause zu Eva und Mark gezogen! Wir freuen uns ganz, ganz arg für die 2 Katerle, die uns in fast einem Jahr in der Pflegestelle doch ganz schön ans Herz gewachsen sind.
Update Mai 2011: Leider konnte sich der kleine Muck im neuen Zuhause so gar nicht eingewöhnen. Er saß nur unter dem Sofa und war extrem unsauber... So ist er nun wieder in der Pflegestelle bei Petra Büttner. Inzwischen hat er sich hier auch wieder gut eingelebt und ist noch schmusiger als vor der Vermittlung. Etwas vorsichtig hat er die Wohnung inspiziert, sitzt gerne auf dem Balkon in der Sonne (die Katzenleiter in den Garten hat er sich bisher noch nicht runtergetraut, obwohl die Behindertengerecht gebaut wurde), schnurrt abends neben uns auf dem Sofa und kam sogar die letzten Nächte mit ins Bett. Da schläft er dann im "Gräbele", Rücken an Rücken mit einem Menschen und den Kopf an Kater Brösels Bauch angekuschelt.
Update Juli 2011: Es ist einfach unglaublich, wie sich diese kleine, fauchende Giftspritze entwickelt hat. „Der Spuck" hat sich um 180° gedreht und ist nun ein total anhänglicher, zutraulicher und verschmuster Plüsch geworden. Er schläft jede Nacht im Bett, am liebsten auf dem Kopfkissen oder mitten in meinem Gesicht, ist es ihm zu kalt, kriecht er auch schon mal unter die Bettdecke und kuschelt sich in die Kniekehlen. Das kleine Kastenweißbrot ist echt für Überraschungen gut :-). Da er sich offensichtlich seinen Platz, an dem er leben möchte selbst ausgesucht hat, bleibt er in der Pflegestelle und wird nicht mehr vermittelt.
Update Dezember 2011: Um "meinen" Muck mussten wir die letzten 2 Wochen ganz schön bangen. Er hat ja schon immer Probleme mit sehr festem Kot bis hin zur Verstopfung, was zum Teil auch an seinem sehr engen Becken liegt, durch das der Mastdarm führt.
Am 29.11. zeigte er mir deutlich, dass es mal wieder soweit ist. Er setzte sich demonstrativ mitten ins Wohnzimmer, presste und jammerte dabei, aber es kam nichts raus. Normaler Weise hilft es dann, ihm etwas mehr Lactulose ins Futter zu mischen als üblich, zusätzlich bekam er von mir ein Klistier verpasst. Als dann am nächsten Tag immer noch nichts kam (weder mitten im Flur, noch im Wohnzimmer, noch im Katzenklo) brachte ich ihn in die TA-Praxis, wo er gleich stationär aufgenommen wurde.
Auf dem Röntgen-Bild sah man deutlich die Kotanstauung vor dem Becken und so wurde in Narkose versucht, den Darm auszuräumen. Da das enge Becken wieder mal im Weg war, bekam er Infusionen, um die Darmtätigkeit anzuregen und den Darm etwas weicher zu machen. Mehrmals wurde unter Narkose der Darm gespült und massiert, bis das Meiste draußen war. Muck wollte nicht fressen, natürlich auch keine Medikamente, die Darmtätigkeit ließ immer mehr nach und so musste er zwangsernährt werden.
Wir vermuteten, dass die Inappetenz und sein schlechter Gemütszustand auch zum Teil daher rührten, dass er nicht zu Hause war, sondern eben in der Praxis ohne sein Wasserbett, ohne seine Katzenkumpels und ohne mich. Nachdem der Darm einigermaßen entleert war und die Gefahr einer Verstopfung (hoffentlich) gebannt, setzten wir alles auf eine Karte und ich holte ihn wieder heim. Zwangsernähren, Bauch massieren und auf ihn aufpassen konnte ich hier auch und die Chance, dass er sich zu Hause im gewohnten Umfeld eher aufrappelt, als in der Praxis ließen es uns einfach versuchen. Und so kam der kleine Muck am 05.12.11 nach fast einer Woche stationärem Aufenthalt in der Praxis wieder zu mir.
Die ersten beiden Tage machte ich mir große Sorgen um den kleinen Schreihals und ich hatte wirklich Angst, dass er es diesmal nicht überleben könnte (ich frage mich aber auch, wie er vorher fast 6 Jahre in dieser bulgarischen Hinterhofzucht überlebt hatte, wo sich mit Sicherheit niemand besonders um ihn gekümmert hat). Er wollte nicht fressen, schaute den Napf nicht einmal mit dem Hintern an und war sehr still und in sich gekehrt. Am liebsten lag er in unserem warmen Wasserbett unter Bergen von Decken versteckt, schlief und "kochte" so vor sich hin (ich habe einmal die Temperatur dort gemessen und das Thermometer zeigte 36 Grad). Regelmäßig sah ich nach, ob er auch noch schnauft. 2 Tage lang habe ich ihm zwangsweise Futter mit der Spritze eingeflößt, immer ganz kleine Portionen, damit es auch drin bleibt.
Am 08.12. saß er dann endlich! wieder in der Küche als es ans Futter machen ging und hat sein Futter eingefordert. Zwar nicht mit den üblichen 110 Dezibel, sondern vielleicht mit 60 und auch nur mit 20 qpm (quäk per minute), statt den üblichen 80. Aber immerhin. Und seitdem frisst er wieder selbstständig, zwar immer noch nicht in dem Ausmaß wie früher, aber er frisst.
Diese knappe Woche außer Haus hat ihn auch noch anhänglicher gemacht und ich kann keine Nacht schlafen, ohne dass er an mir pappt. Am liebsten würde er auf meinem Kopf schlafen und gibt sich nur ziemlich maulig mit dem Kopfkissen zufrieden. Vorher wich er aus, wenn ich mit meinem Gesicht auf ihn zukam, jetzt köpfelt er mir immer wieder von selbst ins Gesicht und genießt es sogar geküsst zu werden. In dieser einen Woche ohne diesen furchtbar lauten, nervigen, mauligen Schreihals, meinen bulgarian nightmare, habe ich doch gemerkt, WIE SEHR mir dieser Stur-, äh... Charakterschädel ans Herz gewachsen ist. Ich hoffe so sehr, dass wir noch eine lange Zeit miteinander verbringen dürfen.
Update Dezember 2014:
Es gab schon ewig kein Update mehr vom Muck, was aber einfach daran liegt, dass es nichts zu updaten gibt. Nach wie vor hat Muck mit seiner Verstopfung zu kämpfen, die wir aber mit täglicher Gabe von Laktulose und Malzpaste ganz gut im Griff haben. Er hat auch mich gut im Griff, plärrt, wenn er Hunger hat (also quasi immer) und freut sich des Lebens. Nach wie vor schläft er jede Nacht eng an mich gekuschelt im Bett, jetzt im Winter natürlich unter der Decke. Es läuft also alles seinen gewohnten Gang...
15.06.2015:
Der kleine Muck, 4 Jahre Dauerpflegi bei mir, lebt nicht mehr. Trotz großem Lebenswillen war am Ende die chronische Verstopfung doch stärker als der kleine Kater aus Bulgarien...
Am 15.06.2015 musste ich diese schwere Entscheidung treffen und meinen "Spucki" ins Regenbogenland schicken.
Liebe Paten, ich möchte mich bei Euch noch einmal ganz herzlich für die teils langjährige Unterstützung bedanken. Ihr habt es ermöglicht, dass der Muck "Privatpatient" beim Tierarzt war und immer und jederzeit die volle, medizinische Betreuung genießen konnte.